Das Gespräch führte Beate Rasmussen am 11. Dezember 2020.
Manches dürfte einfacher sein
Wie sich junge und besondere Menschen den Herausforderungen des Lebens stellen
Du!mittendrin – der Wunsch engagierter Familien für ihr besonderes Kind. Die Initiative steht offen für betroffene Familien und ebenso für Menschen, die sich für Inklusion in unserem Alltag stark machen wollen. Nicht die Behinderung, vielmehr das Besondere bei den Kindern und Jugendlichen zu entdecken, bereichert unser aller Leben.
Eine dieser jungen Menschen ist die zweiundzwanzigjährige Selina, sie lebt mit ihren Eltern Roswita und Michael Ullrich unweit der Marienhöhe. Ein Behandlungsfehler während der Schwangerschaft von Roswita Ullrich ließ Selina unterversorgt zur Welt kommen.
Kurz nachdem Selina in die heilpädagogische Raphael-Schule aufgenommen wurde, entschlossen sich die Eltern in die Elbvororte zu ziehen. Zuvor waren sie südlich der Elbe beheimatet, doch die einstündige Autofahrt zur Schule und zurück bedeutete vor allem für Selina einen enormen Stress.
Neben der Schule erhielt Selina jahrelang spezialisierte Physio- und Ergotherapie, Logopädie und eine heilpädagogische Behandlung. Nun, als junge zweiundzwanzigjährige Frau hat sie genug von all den Therapien und möchte ein möglichst freies und selbstbestimmtes Leben führen. Nach dem Schulabschluss begann Selina in den Elbewerkstätten zu arbeiten und mittlerweile ist sie dort in der Abteilung für Verpackung. Mit unglaublicher Ausdauer und Genauigkeit geht sie der Tätigkeit nach und freut sich vor allem über die Begegnung und den Austausch mit den Kolleg*innen und ihren Freunden.
Das letzte halbe Jahr ist besonders schwer für Selina und ihre Eltern gewesen, bedingt durch die Pandemie wurden auch die Elbewerkstätten temporär geschlossen. Seit der Wiedereröffnung im Sommer wurden die Arbeitsgruppen halbiert und so geht Selina derzeit nur noch jede zweite Woche ihrer Tätigkeit nach.
„In der Diskussion um Schulschließungen oder Teilhabe kommen diese jungen Menschen eigentlich gar nicht vor. Dabei sind Verlässlichkeit, geregelte Tagesabläufe und die Begegnung mit gleichaltrigen Kolleg*innen und Freunden für sie mindestens genauso wichtig“ meinen Roswita und Michael.
„Ich wünschte Corona hätte es nie gegeben“ sagt Selina und zeigt mit dem Daumen nach unten. Selina freut sich schon auf die Zeit (nach Corona), wo all ihre Hobbys, wie Tanzen, Vorlesen, sowie shoppen gehen, Kino- und Restaurantbesuche mit ihrer Betreuerin, wieder möglich sein werden.
Man merkt der jungen Frau an, wieviel Lebensfreude sie hat und auch teilt, und wie gerne sie das Leben entdeckt. So ist es auch selbstverständlich für Selina, in der Zukunft auszuziehen und hoffentlich mit Gleichaltrigen in einer Wohngruppe zu leben. Idealerweise in den Elbvororten, nicht allzu weit entfernt vom Elternhaus. Neben inklusiven Projekten wie einer Theater- oder Musikgruppe oder der Suche nach geeigneten Praktikumsplätzen ist dies der Herzenswunsch aller Familien von Du!mittendrin: ein gutes Zuhause für ihre Kinder zu finden.